Gegendarstellung zum FAZ-Artikel „Jeder Zweite scheitert am Deutschtest“

Hier finden Sie eine Gegendarstellung zum Artikel „Jeder Zweie scheitert am Deutschtest“ von Christoph Schäfer, welcher in der faz online vom 29.04.2018 zu lesen ist.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/fluechtlinge-jeder-zweite-scheitert-am-deutschtest-15565140.html

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind Lehrkräfte in Deutschkursen für Zuwanderer mit mehrjähriger Berufserfahrung und haben uns über den oben genannten Artikel sehr geärgert, da er die Realität verzerrt und auf irreführende Art darstellt. Daher möchten wir einige Behauptungen und Angaben von Herrn Schäfer richtigstellen:

Eingangs behauptet Herr Schäfer, dass es ein „niedrig gehängtes Ziel“ sei, nach 600 Unterrichtsstunden die deutsche Sprache auf B1-Niveau zu beherrschen. Dies zeugt von sehr geringer Sachkenntnis, denn in B1 ist bereits fast die komplette deutsche Grammatik enthalten und in der Prüfung sollen Texte wie z.B. Beipackzettel von Medikamenten oder Gebrauchsanleitungen verstanden und formelle Briefe verfasst werden. Damit ist auch ein nicht geringer Prozentsatz der deutschen Muttersprachler überfordert.

Weiterhin gilt es zu bedenken, dass die Muttersprachen vieler Zuwanderer, wie z.B. Arabisch oder Tigrinisch, nicht mit dem Deutschen verwandt sind. Eine verwandte Sprache, etwa Englisch oder Französisch, ist beispielsweise für Deutsche zumindest für Urlaubszwecke schnell erlernbar; bei Russisch wird diese Stufe im Schulunterricht bei Weitem nicht erreicht. Daher möchten wir dem Autor nahelegen, einen Arabischkurs zu besuchen und uns anschließend mitzuteilen, nach wie vielen Stunden er die B1- Prüfung bestanden hat.

Es ist also keineswegs „freundlich ausgedrückt“, die Sprachkurse als „nicht sonderlich erfolgreich“ zu bezeichnen, sondern sachlich schlichtweg falsch. Dass so viele Migranten den Kurs auf Anhieb die Prüfung bestehen, zeugt von hoher Motivation und großem Fleiß. Ferner sind die diesbezüglichen Zahlen der telc anders; hier spricht man von 65% bestandenen Prüfungen.

Der von Herrn Schäfer zitierte „sehr wohlmeinende Schulleiter“ einer VHS hat zwar versucht, ihm die Schwierigkeiten der Kursteilnehmenden zu erklären, aber bei „kritischerem Hinsehen“ fällt dem Autoren auf, dass es bei den Kursen der Bundesagentur für Arbeit „desaströse“ Zustände gebe und die Teilnehmenden den Kursen fernblieben. Hier vermischt Herr Schäfer zwei völlig verschiedene Kursarten und kommt so zu einer gravierenden Fehlinterpretation dessen, was sein kritischer Blick ihm zeigt:

Es gibt, wie überall in der Wirtschaft, seriöse und unseriöse Anbieter. Die überwiegende Zahl der Sprachkursträger, wie die Volkshochschulen, AWO oder regionale Kleinanbieter verfügt über langjährige Erfahrungen im Deutschunterricht und legt hohen Wert auf solide qualifizierte Lehrkräfte und darauf, die Kursteilnehmer optimal auf ihren Alltag in Deutschland vorzubereiten. Hier gibt es garantiert keine gefälschten Teilnehmerlisten, keine halb leeren Klassenräume, keine Schüler, die mit dem Kopf auf dem Tisch schlafen (wie in Ihrem Foto)und auch keine Lehrkräfte, die froh darüber sind, wenn nur wenige Schüler ihren Kurs besuchen.

Für die Kurse der Bundesagentur für Arbeit, die als schnelle Reaktion auf die rasant gestiegene Nachfrage seit Winter 2015 reagieren sollten, gab es jedoch keine verbindlichen Qualitätskriterien (wie Herr Schäfer selbst anmerkt), sodass in diesem Moment auch einige „schwarze Schafe“ auf den Markt drängten. Hier ist es offenbar zu Unregelmäßigkeiten in den Abrechnungen gekommen, und der Erfolg der Kursteilnehmenden mag hier auch nicht immer als das wichtigste Ziel angesehen worden sein. Wenn nun bei den untersuchten 528 Kursen viele Teilnehmer fernblieben, so mag das eventuell auch daran gelegen haben, dass diese Kurse einfach schlecht und wenig durchdacht waren.

Herr Schäfer zieht aus der Untersuchung der BA- Kurse jedoch ein Fazit für alle Kurse, nämlich, dass „…Eigenmotivation auf der einen Seite und Nächstenliebe auf der anderen nicht ausreichen, um für erfolgreiche Sprachkurse zu sorgen.“ Das müssen sie auch gar nicht – die Sprachkursträger haben deutlich mehr als „Nächstenliebe“, nämlich Erfahrung und hohe Qualifikation, anzubieten.

Über die vom BAMF geförderten Kurse hat er zwar weder Untersuchungen noch Zahlen, auf die er sich stützen könnte, dafür behauptet er jedoch mutig, dass das System der Kursdokumentation und -abrechnung zu Betrug einlüden. Bei Nachfragen zur Anwesenheit stoße man auf „eine Mauer des Schweigens“. Hiermit möchten wir Herrn Schäfer herzlich dazu einladen, bei uns nachzufragen, wir geben ihm gern Auskunft. Der von ihm angeführte „Extremfall“ kann jedenfalls durch zahlreiche „Normalfälle“ ausgewogen werden- falls diese den Autor wirklich interessieren. Abwesenheitsquoten von zwanzig bis fünfzig Prozentgibt es bei uns jedenfalls höchstens während einer Grippewelle. Und das, obwohl die Jobcenter und Ausländerbehörden bei der Terminvergabe in der Regel keinerlei Rücksicht auf die Kurszeiten der Teilnehmenden nehmen.

 

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